Was kann ich gut? Wie kann ich meine Stärken am besten einsetzen? Wie komme ich beruflich weiter? Sind wir stark in dem, was wir tun, haben wir Erfolg und steigern unsere Zufriedenheit. Businesscoach Nadine Kügeler verrät Ihnen, wie Sie Ihre Stärken erkennen und einsetzen können.

Hallo Nadine, was ist das überhaupt – eine Stärke?

Eine Stärke ist ein individuelles Talent oder eine Begabung. Egal ob beruflich oder privat: Wenn ich etwas tue, in dem ich stark bin, muss ich mich dafür kaum anstrengen. Ich freue mich auf diese Tätigkeit, bin im Flow und merke gar nicht, wie die Zeit vergeht. Persönliche Stärken sind die Dinge, die mir Spaß machen.

Nadine Kügeler entwickelt für und mit Teams Strategien für wirksame Zusammenarbeit.

 

Warum ist es wichtig zu erkennen, wo die eigenen Stärken liegen?

Ich glaube, dass jeder von uns nach Zufriedenheit und dem Gefühl von Leichtigkeit für sein Leben strebt. Ich habe dann immer das Bild von mir als alte Frau im Kopf, die mit 80 im Schaukelstuhl sitzt und zufrieden auf ihr Leben zurückschaut, weil sie die meiste Zeit mit Dingen und Menschen verbracht hat, die ihr gutgetan haben. Wenn ich noch nicht voll in meinem Potenzial angekommen bin, ist der Aufwand, meine Ziele zu erreichen, tendenziell gefühlt höher. Vor allem, weil ich mich dann sehr viel mehr mit negativen als mit positiven Gefühlen beschäftige. Auf den beruflichen Kontext bezogen erscheint mir die Arbeit dann oft anstrengend, ich fühle mich nach Feierabend müde oder sogar ausgelaugt.

Bei Tätigkeiten, die ich zudem nicht regelmäßig ausübe, muss ich in meinem Gehirn aktiv nach Erfahrungen, so genannten Netzwerken suchen. Habe ich das schon mal gemacht? Wie finde ich eine Lösung dafür? Das kann sich anstrengend anfühlen, weil diese Netzwerke noch nicht stark ausgeprägt und abrufbar sind. Arbeite ich hingegen innerhalb meiner Stärke, sieht es ganz anders aus. Das, was ich zur Lösung meiner Ziele und Herausforderungen benötige, ist in meinem Unterbewusstsein verankert und die Aufgaben gehen mir fast von alleine von der Hand. Es ist wie mit Hobbies, die mir wichtig sind, zum Beispiel Kochen, Skifahren oder Reiten: Habe ich diese Fähigkeiten einmal verinnerlicht, wende ich sie regelmäßig an und habe ich dabei positive Gefühle, kann ich sie jederzeit ohne Mühe wieder abrufen.

 

Was bedeutet das für den Beruf?

Bin ich stark in dem, was ich beruflich tue, arbeite ich effizient und effektiv. Mehr noch: Dann engagiere ich mich gerne und mein Job gibt mir ganz viel zurück! Deswegen ist es auch wichtig, dass Führungskräfte ihre Mitarbeiter an den richtigen Stellen mit den richtigen Herausforderungen einsetzen. Dafür sollten sie sich gemeinsam mit ihrem Team fragen: Welche Kompetenzen und Stärken haben wir im Team? Welche Ziele haben wir im Blick, welche Herausforderungen müssen wir gemeinsam und jeder Einzelne meistern? Dann schaut man, wer stark in seiner Rolle sein kann oder sich auch weiterentwickeln möchte.
Arbeiten wir in unserem vollen Stärkepotenzial, führt das in der Regel zum Erfolg – die beste Belohnung überhaupt für unser Gehirn. Wir fühlen uns sozial bestätigt, zugehörig und trotzdem als Individuum in der Gruppe sichtbar.

Weniger „müssen“, mehr „dürfen“: Kommen Sie Ihren Stärken auf die Spur.

 

 

Wie identifiziere ich denn überhaupt meine beruflichen Stärken?

Schauen Sie sich einen für Sie ganz normalen Arbeitstag an und fragen Sie sich: Was darf ich machen? Und was muss ich machen? Alles, was ich als „dürfen“ empfinde, kann eine Stärke sein. Um herauszufinden, was ich gut und gerne mache, empfehle ich, die Dinge aufzuschreiben – so werden meine Aussagen viel realer. Die Wirkung, wenn ich meine Erkenntnisse sehen kann, lässt sich nicht so einfach wegschieben.

Arbeiten Sie auf einem Flipchart oder Whiteboard. So haben Sie vollen Raum, um sich zu entfalten. Zusätzlich können Sie aus Ihren Erkenntnissen ein persönliches Visionboard erstellen. Diese analogen Arbeitsweisen erlauben Ihnen, Ihr Ergebnis so zu gestalten, wie es zu Ihnen passt: Sie können basteln oder malen, schreiben oder mit Sketch Notes arbeiten.

Analoge Arbeitstechniken können helfen, sich Ihren Stärken kreativ anzunähern.

 

 

Welche Methode wendest du gerne an?

Für die Erarbeitung von Rollen nutze ich als Ergänzung zu meinem eigens entwickelten Rollencanvas oft das Drei-Welten-Modell nach Bernd Schmid. Dazu male ich einen großen Kreis auf ein Flipchart oder Whiteboard, den ich in drei Tortenstücke unterteile. Diese bekommen die Überschriften „Beruf“, „Privat“ und „Profession“. In die Tortenstücke schreibe oder male ich nun die Rollen, die ich in den jeweiligen Teilbereichen einnehme. Bei „Profession“ schreibe ich die Rollen auf, die ich mal in der Vergangenheit besetzt habe, heute aber nicht mehr.

Sammeln Sie erst einmal ohne Wertung alle Rollen, die Ihnen einfallen. Meist startet man automatisch mit den expliziten Rollen wie beispielsweise „Mama“, „Bruder“ oder „Führungskraft“. Spannend sind aber auch die impliziten Rollen, also die Rollen, die Ihnen offiziell keiner zugesprochen hat. Sie sind der Kummerkasten für Ihre Kollegen? Sie organisieren jedes Fest im Freundeskreis oder den Familienalltag? Verbringen Sie Ihre Freizeit am liebsten mit Pinsel und Farben vor der Leinwand? Haben Sie in Ihrer Jugend mal intensiv einen Sport betrieben? Nehmen Sie sich dafür gerne mehrere Tage Zeit und ergänzen Sie die Sammlung immer wieder. Sie werden überrascht sein, was Sie alles (wieder-)entdecken.
Dann unterstreichen Sie mit einem grünen Marker alle Rollen, die Sie gut finden und die Ihnen Spaß machen. Mit einem roten Marker werden alle markiert, die Ihnen zwar zufallen, Sie jedoch tendenziell anstrengend finden. So können Sie Muster erkennen und haben eine gute Basis, die grün unterstrichenen Rollen zu stärken und die rot unterstrichenen zu reduzieren.

Beim Drei-Welten-Modell konzentrieren Sie sich auf die Rollen, die Sie in unterschiedlichen Lebensbereichen einnehmen.